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Tunika angelehnt an den Herjolfsnesfund Nr. 41

Im Winter 2001/2002 habe ich geplant, mir trotz meiner anstehenden Meisterausbildung, für die Saison 2002 ein neues Obergewand zu nähen. Ich hatte Glück und habe zwischen Weihnachten und Neujahr in Hamburg einen schönen Wollstoff in Köperbindung erstanden.
Den Stoff hatte ich jetzt, doch was machte ich daraus ??

Ich habe mir gedacht: "Bevor ich mir zwanghaft etwas aus den Fingern sauge, warte ich bis mir etwas passendes über den Weg läuft".
Im Februar 2002 war es endlich soweit, nach ewiger Sucherei nach Malereien, die in meiner Darstellungszeit lagen und natürlich ein Gewand zeigten, das mir gefiel, habe ich zufällig in den unendlichen Weiten des Internets eine Seite gefunden, die sich mit Originalfunden beschäftigt.
Ich war hin und weg, habe gleich die gesamte Seite heruntergeladen, damit ich sie in Ruhe durcharbeiten konnte.
Die Seite "Some Clothing of the Middle Ages" beschreibt hauptsächlich die nordeuropäischen Textilfunde. Beim Durcharbeiten der Seite hat mir auf Anhieb der Textilfund aus Herjolfsnes no. 41 gefallen. Ich habe dann angefangen mir erste Skizzen zu machen. Es war sehr langwierig bis ich mit den wenigen auf der Seite angegebenen Maßen das erste Schnittmuster erstellt hatte, was den leider ohne Maßstab gezeigten Schnittschemen entsprach.

Auf dem langen Weg zum gebrauchsfertigen Schnittmuster waren noch weitere Recherchen nötig. Geholfen hat mir wieder das Internet. Ich hatte wieder eine Seite gefunden "A comparative study of extant garments relevant to East Denmark in the mid-to-late 14th Century". Diese Seite hat mehr Infos zu den Details der Herjolfsnes Funde und auch die ersten Bilder der Originale waren dort zu finden.

Bei der Erstellung des Schnittmusters habe ich darauf geachtet das ich so weit wie möglich die angegebenen Originalmaße beibehalte. Es stellte sich heraus, dass ich die Breite der vorderen und hinteren Stoffbahn um je 4 cm breiter machen musste, um einen Hüftumfang von 108cm zu erreichen. Die restlichen Maße entsprechen dem Original (soweit ich es nachvollziehen kann):

Länge von der Schulter zum Saum = 120 cm
Saum umfang = 425 cm
Armloch Durchmesser = 63 cm
Kopfloch Durchmesser = 88 cm
Ärmellänge = 62,5 cm
Gährenbreite = 4 cm

Das Erstellen des Ärmelschnittmusters erwies sich als äußerst schwierig. Die Kurve des Ärmelansatzes war erst nach mehreren vergeblichen Versuchen zufriedenstellend.

 Nach dem das Schnittmuster fertig war habe ich mit der Nähmaschine ein Probegewand aus billigen Baumwollstoff gefertigt (gleich den Wollstoff zu nehmen, na ja). Es klappte alles auf Anhieb bis ich begonnen habe die Ärmel anzunähen. Keil unter die Axeln...... irgendetwas stimmt nicht.... das sitzt so komisch.... auftrennen..... Keil auf Schulterblatthöhen annähen.... sitzt besser..... hmm, soll ich nicht lieber einen Fachmann (Frau) fragen?

Darauf hin habe ich mich mit dem Altonaer Museum in Verbindung gesetzt. Man hat mir Frau Soltkan empfohlen mit der ich dann auch einen Termin abgemacht habe. Sie hatte leider noch nichts mit mittelalterlichen Textilien zu tun. Ihr Hauptgebiet sind Trachten des 17 - 19 Jahrhunderts.
Ich hatte mich mit ihr über die Position des Keils unterhalten und sie konnte mir nur bestätigen, dass bei so einen Kurvenverlauf am Ärmelansatz der Keil nur an der Schulter sitzen kann (Was auch, wie sich später herausstellte, korrekt ist).

So nun sind "fast alle" Unklarheiten beseitigt oder sind mehr dazugekommen ??
Ich hatte mir dann, für die Details wie Knopfleisten, Ziernähte und Verziehrungen, das Buch "Buried Norsemen at Herjolfsnes" über Fernleihe zukommen lassen. Leider konnte das Buch die Detailfragen nicht beantworten sonst ist es aber für die Zeit ( 1934 )in der es geschrieben wurde recht gut.
Während ich auf das Buch wartete, habe ich angefangen den Stoff zuzuschneiden. Dann war es soweit, mein bei Tanja Kobes bestellter handgesponnener (2 Fäden S-gesponnen) Wollfaden war angekommen und das Buch war auch kurz darauf eingetroffen. Ich hatte nach 12 langen Nächten das Gewand bis auf die Ziernähte, Knopfleisten und der geflochtenen Borte fertig. Die Ärmel habe ich erst einmal bis zur Handöffnung zugenäht da ich die Knopfleisten zu Daaden nicht mehr fertig bekommen hätte. Außerdem wollte ich mit den Details noch ein wenig darauf warten das sich neue Informationsquellen auftun.

Nach zwei Monaten vergeblichem Durchsuchen diverser Literatur habe ich mich entschlossen die Knopflochleisten, so wie im Buch "Textiles and Clothing" abgebildet, zu nähen. Danach konnte auch die von Christine geflochtene Borte an die Knopflochleisten genäht werden.

Auf dem Hochaltar von St. Petri (auch Grabower Altar genannt) 1379-1383 welcher von Meister Bertram erstellt worden ist kann man eine Ärmelverziehrung sehen Siehe letztes Bild. Nach deren  Vorbild habe ich die Verziehrung an meinem Gewand nachempfunden. Meister Bertram ist einer der führenden norddeutschen Maler und Bildschnitzer seiner Zeit gewesen.

Ich habe mich in Dänemark mit einer Archäologiestudentin Fachrichtung Textilien unterhalten. Sie hat mir noch etwas Literatur zugeschickt und mich auch darüber informiert das Else Östergaard ein Buch in Arbeit hat was die neusten Erkenntnisse über die Herjolfsnesfunde beinhaltet.

Auf das Buch bin ich ja mal gespannt


Lorenz Rittscher

  
 
 

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